Dispokinesis
disponere (lat.) über etwas verfügen
kinesis (griech.) Bewegung
Ursprung
Die Disposition des Musikers wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit zunehmendem Interesse untersucht – sowohl unter dem Aspekt des mühelosen Musizierens auf der Bühne als auch unter Betrachtung der gesundheitlichen Verfassung des Musikers.
Warum spielten die einen mit großer Leichtigkeit und Spielfreude ohne Beschwerden während andere unter Anstrengung und häufig mit Schmerzen spielten? Alle hatten doch fundierte Ausbildungen genossen und machten scheinbar alles „richtig“.
Auch der niederländische Musiker und Physiotherapeut Gerrit Onne van de Klashorst führte die von seinem Vater begonnenen Untersuchungen über die Disposition des Musikers fort.
Selber zunächst ausgebildeter Pianist, durch einen Unfall aber schon früh zur Aufgabe gezwungen, ließ er sich in den 1950er Jahren zum Physiotherapeuten ausbilden. Zusätzlich eignete er sich ein profundes Wissen auf vielen Teilgebieten der Medizin und der menschlichen Entwicklung an.
Gemeinsam mit einem Arzt und einem Cellisten entwickelte und erprobte er Körper-Übungen für Musiker zur Wahrnehmung und Verbesserung der Disposition. Sein umfangreiches Wissen über Evolution, Anatomie, Physiologie, sensomotorische Reifungsprozesse, Neuropsychologie u.v.m. und die mehrtausendfach an Probanden getesteten Körper-Übungen („Urgestalten von Haltung und Bewegung“) bildeten schließlich die Dispokinesis.
Arbeitsweise-Die Urgestalten
Das oberste Ziel: Ich vertraue dem eigenen Körper-Gefühl und erlange dadurch die Kompetenz über mich und mein Handeln (wieder). Ich finde meine Haltung und meine Bewegungs-Möglichkeiten in jeder Situation.
Ich verfüge (disponere) über mein ureigenes Körper-Wissen.
- Ich habe es schon.
- Ich bin, wer ich bin.
Die „Urgestalten von Haltung und Bewegung“ geben mir die Möglichkeit, Erfahrungen im Liegen, Vierfüßler, Schneidersitz und im Sitzen zu machen. In diesen Positionen werden vielfältige Bewegungen ausprobiert und auf das Spiel mit dem Instrument oder der Stimme übertragen. Das spannkräftige Stehen steht am Ende dieses Erfahrungs- und Übungswegs. Ich finde dadurch meine eigene unverstellte und ursprüngliche Art im Umgang mit meinem Körper wieder.
Das ist möglich, da jedem Menschen auf einer tiefen unbewussten Ebene zu jeder Zeit die Möglichkeit innewohnt, auf jegliche Art von Reiz oder Anforderung auf unmittelbare Weise zu reagieren.
Hierin liegt das Besondere dieser Arbeitsweise:
Um an dieses innere Wissen zu gelangen, wird der Kontakt zum Körper über das Fühlen hergestellt, nicht über das analytische Denken. Der Dispokineter hilft in diesem Prozess mit entlockenden und bildhaften Vorstellungen dem Musiker, die individuelle Haltungs- und Bewegungs-Qualität zu finden.
Dadurch erfahre ich als Übender, was sich für mich gut anfühlt und ich kann entscheiden, was für mich richtig ist.
Bedeutung
Alles was der Mensch gelernt und in seinem bisherigen Leben erfahren hat, ist auf einer unbewussten Ebene in Form von Mustern abgespeichert. Diesen Mustern gemäß reagiert er auf äußere Anforderungen. Er nimmt beispielsweise eine Haltung ein, die ihn in einem bestimmten Kontext sehr geprägt hat und ihm zu eigen geworden ist. Für das Musizieren ist sie nun aber möglicherweise nicht sinnvoll oder sogar störend. Ebenso verhält es sich mit Bewegungsmustern. Beispielsweise kann eine bestimmte Art der Bewegung, die in einem anderen Zusammenhang empfohlen wurde, nun als permanentes stereotypes Muster hinderlich sein oder gar zu Schmerzen und Spielstörungen führen.
Durch die Begleitung im körperlichen Erfahrungsprozess mit den Urgestalten kann der Musiker wahrnehmen, reflektieren und dadurch erkennen, was zum eigenen Thema oder Problem geführt hat.
Durch das Üben der neuen für richtig befundenen Haltungs- und Bewegungs-Erfahrungen können anstelle der künstlich erlernten nun neue nachhaltige Haltungs- und Spielmuster entstehen.
Auf diesem Weg von Erfahrung, Erkennung und Entscheidung erlangt der Musiker wieder seine Disposition-die Kompetenz zum Handeln als Mensch und als Musiker.